Sonntag, 14. Februar 2010

Anmerkungen zum FR- Interview mit Sawicki

In der FR erschien ein Interview mit dem "Pharmakritiker" Sawicki. Dieses Interview ist interessant, zumal Sawicki weder Überläufer noch Abtrünniger ist. Interessant ist das Interview vor allem, wenn man ein Gespür für das, was zwischen den Zeilen steht, entwickelt hat.

Sawicki meint über sich, dass er "industriefreundlich" und "kein Feind der Pharmaindustrie" ist.
So hatte das regierungsnahe Institut (laut Sawicki) 31 der 8834 (Rote Liste) Medikamente in der BRD untersucht, was keineswegs von einer akribischen oder allzu kritischen Tätigkeit zeugen kann. Trotz seiner Nähe zur Industrie muss Sawicki zum August seinen Posten räumen. Ob dabei das von den Medien benutzte Wort "geschasst" zutreffend ist, sollte mit Vorsicht zu geniessen sein, da von einem Rauswurf keine sachliche Rede sein kann. Vielmehr spricht vieles dafür, dass der freiwerdende Posten mit einer FDP- nahen Gestalt besetzt werden soll, was nach einer Wahl hierzulande angesichts der Postenschacherei normal ist. Vielleicht hat "der Mohr auch nur seine Schuldigkeit getan" und es ist Zeit, eine geschmeidigere oder funktionstüchtigere Marionette ins Amt zu heben? Wer dies als unnormal ansieht und Sawicki als reinen verbraucherfreundlichen Ritter (was er selbst verneint!) darstellt, der ignoriert nicht nur die Klüngel- und Vetternwirtschaft, sondern auch die Korruption im Staat. Sawicki wurde durch Kräfte auf seinen Posten gehoben, die gewiss keine volksfreundliche Gesundheitspolitik im Sinne der Zahlmeister betrieben haben. Z.B. wurde auch und gerade unter Ulla Schmidt (SPD) das Gesundheitssystem zum Nachteil der Versicherten "reformiert". Der Pharmaminister Rösler führt diese Politik nur fort. Ob diese Fortführung zukünftig drastischer vollzogen wird, bleibt reinste Spekulation. Denn eines ist ein unumstößlicher Fakt in diesem Affentheater. Egal welche Partei bisher die Oppositionsrolle verlassen hatte und eine temporäre Hauptrolle (auf Landes- und Bundesebene) spielen durfte, am politischen Trend in der BRD hatte dies nichts geändert. Ob CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke - alle diese Parteien haben, wenn sie in der Regierung saßen, die Interessen des Kapitals vertreten. Sie benutzten vielleicht andere Floskeln, da sie eine jeweils andere Klientel zu versorgen haben, doch die Ergebnisse unterschieden und unterscheiden sich nicht. Allenfalls in Nuancen.
Das meinte Kurt Tucholsky mit seinem berühmten Zitat: "Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie längst verboten". Oder Brecht, als er (sinngemäß?) sagte:"Die Schweine haben sich geändert, doch die Tröge sind dieselben geblieben".
Man sollte die Demokratie im Land nicht mit der Einstellung einiger Demokraten verwechseln! Die zudem allesamt nichts zu melden haben. Zumindest kenne ich keinen Demokraten, der dieses Wort verdient, in einem Parlament sitzt und wirklicher Entscheidungsträger ist. Man kann mich aber gerne eines Besseren belehren! Nennen sie mich getrost einen Pessimisten, was in der Gegenwart ohnehin nur ein anderes Wort für Realist oder Rationalist wäre.
Sawicki faselt etwas von Unabhängigkeit. Auf der Blöd- Zeitung steht auch das Wort "unabhängig".
Doch es gibt keine allumfassende Unabhängigkeit, ebenso wenig wie es die Freiheit gibt. Freiheit kommt von "können, dürfen". Des einen Freiheit kann schon für den Nachbarn Unfreiheit bedeuten. Eine Willensfreiheit setzt beispielsweise das Aussetzen der Naturgesetze voraus. Es wird auch nie eine humanistische Ausbeuterordnung existieren. Zumal die, in der wir leben, das Kapital, also den Profit als Mittelpunkt des Universums heiligt.

Die Frankfurter Rundschau gilt übrigens als SPD- nahe Zeitung, deren aktueller Mehrheitsbesitzer der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg ist. DuMont Schauberg besitzt auch 25% an der Haaretz- Gruppe (Israel), ist Herausgeber der netzeitung.de und gibt absolute Unterkastenschmuddel- Zeitungen wie den Kölner Express, den Berliner Kurier oder die Hamburger Morgenpest heraus. Eine Beteiligung hält DuMont Schauberg übrigens auch am "Piratensender" Berliner Rundfunk, der derzeit mit dem Spruch "Gute Zeiten, gute Musik" seine Hörer verarscht. Ebenso erwähnenswert ist, dass DuMont Schauberg Besitzer des ehemals regierungseigenen Bundesanzeiger Verlag ist, dessen Vorgänger wiederum der Deutsche Reichsanzeiger ist. Kritiker rechnen DuMont Schauberg dem berüchtigten Kölner Klüngel zu.
Hier das Interview: 

Das Rezept der Profiteure
Betrügen, bestechen, Studien unterschlagen: Der geschasste Pharmakritiker Peter Sawicki spricht im FR-Interview über seine Erfahrungen mit einer mächtigen Lobby, die Gründe seiner Ablösung und das Versagen der Unternehmen.
Professor Sawicki, Ihr Vertrag als oberster Arzneiprüfer wird gegen Ihren eigenen Wunsch nicht verlängert. Sind Sie ein Opfer der Pharma-Mafia?
Ich bin kein Opfer. Ich hätte gerne weiter gemacht. Wenn bestimmte Politiker meinen, dass die Position anders besetzt werden soll, um mehr Akzeptanz auch bei der Industrie zu erreichen, dann ist das ihr gutes Recht. 
Ihnen wurden fehlerhafte Abrechnungen von Dienstwagen und Spesen vorgeworfen. Haben Sie sich angreifbar gemacht?
Wenn man einen Hund schlagen will, findet man immer einen Stock. Hätte es diesen Stock nicht gegeben, hätte es einen anderen gegeben. Es ist der Solidargemeinschaft durch mein Verhalten kein Schaden entstanden. 
Die Gründe sind vorgeschoben?
Das meiste stimmt nicht, was in den Zeitungen steht. Ich darf nur nicht über Interna reden, weil dies mein Vertrag so vorsieht.
Welche Erfahrungen haben sie mit der Pharmaindustrie gemacht?
Für die Unternehmen ist es in Deutschland paradiesisch: Alle Präparate werden sofort nach der Zulassung verordnet - zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu dem Preis, den die Industrie festlegt. Unser Institut ist nun für die Industrie eine Hürde im unkontrollierten Zugang zum Markt, weil wir den Nutzen neuer Arzneimittel bewerten. Die Pharmafirmen wollen dieses Institut nicht, schon gar nicht so, wie es unter meiner Leitung ausgerichtet ist. Es ist ihnen im Weg.
Mit welchen Mitteln hat denn die Pharmaindustrie versucht, diese Hürde zu durchbrechen? 
Man hat uns zum Beispiel unpublizierte Studien nicht zur Verfügung gestellt. Man hat aber auch versucht, uns zu diskreditieren. Der Stern berichtete, dass eine Pharmafirma einen PR-Mann auf mich angesetzt habe, der versuchte, "belastendes Material" über mich bei den Medien unterzubringen.
Wurde Ihnen auch direkt gedroht? 
Womit soll man mir drohen? Die Firmen sagten offen, dass sie sich dafür einsetzen, dass mein Vertrag nicht verlängert wird. Vertreter der Pharmaindustrie sind schon vor Jahren sogar ins Kanzleramt marschiert und sollen sich dort dafür eingesetzt haben, dass ich abgelöst werde. Damals waren sie erfolglos.
Gab es auch an anderer Stelle Druck auf die Politik? 
Natürlich beeinflusst die Pharmaindustrie die Politiker. Viele Abgeordnete erzählen mir: "Jeden Tag ist jemand von der Industrie bei mir, der sich über Sie beschwert." Ich habe mich auch mal mit der Gesundheitsgruppe der CDU im Bundestag getroffen, um über Methoden der Kosten-Nutzenbewertung von Arzneimitteln zu sprechen. Wohl damit die Abgeordneten nicht zu einseitig von mir beeinflusst werden, haben sie dann Frau Yzer und ihre Mitarbeiter vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller dazugebeten. Das war ein sehr unangenehmes Gespräch.
Die Firmen sagen, sie müssten Mitarbeiter entlassen, wenn das Institut Arzneien schlecht bewertet. Was halten Sie von dem Argument? 
Das ist durchaus stichhaltig. Wenn etwa die Krankenkassen das Alzheimer-Medikament Memantin der Firma Merz nicht mehr erstatten sollten, ist das für den Hersteller ein Riesenproblem. Vielleicht muss Merz dann wirklich Menschen entlassen. Dies möchte ich nicht. Aber wie kann ich das verhindern? Wir fassen Studien zusammen und stellen fest, dass der Nutzen eines Medikaments nicht belegt ist. Soll ich das verschweigen? Wir können doch unsere wissenschaftlichen Methoden nicht danach ausrichten, ob ein Medikament in Deutschland hergestellt wird oder nicht!
Bei wie vielen Mitteln konnte das Institut nachweisen, dass sie nicht so wirken, wie sie sollen? 
Bei wenigen. Von 31 untersuchten Mitteln hatten 26 einen Nutzen. Nur sind sie eben nicht unbedingt besser als andere Mittel, die auf dem Markt sind, nur teurer.
Wie viel Geld haben Sie den Krankenkassen denn gespart? 
Das haben wir nicht ausgerechnet. Aber beim Gerichtsverfahren zu den Insulin-Analoga hat ein Richter gesagt, dass die klagenden Firmen 25 Millionen Euro pro Jahr verlieren, weil sie nach unserer Bewertung gezwungen waren, ihre Preise zu reduzieren.
Warum trickst die Pharmaindustrie? 
Weil sie nicht genug fortschrittliche Medikamente hat. In den letzten 20 Jahren hat sie sich etwas auf die faule Haut gelegt und darauf versteift, ihre eigenen Sachen zu kopieren und sie dann wieder als neue Mittel zu verkaufen. Es ist auch schwierig: Denken Sie an den riesigen Aufwand, bis man Aids erfolgreich behandeln konnte. Und sie haben als Unternehmer keine Sicherheit: Sie können zum Beispiel nicht sagen, ich investiere fünf Milliarden Euro und dann ist die Parkinsonsche Erkrankung heilbar.
Die Forschungsabteilungen der Firmen sind mehr Schein als Sein? 
Die Forschungsanstrengungen der Pharmafirmen werden übertrieben dargestellt. Die Grundlagenforschung findet an den Universitäten statt und die bezahlt der Steuerzahler. Die Pharmaindustrie kauft an den Universitäten billig ein, was vielversprechend ist.
Trotzdem rühmt sie sich mit ihren hohen Forschungsausgaben. 
Das meiste dabei sind Ausgaben für die Zulassung, Marketing und Beeinflussung von Meinungsbildnern.
Investiert die Pharmaindustrie an der falschen Stelle? 
Sie investiert dort, wo sie einen Return erwartet. Ein großes Problem sind seltene Krankheiten. Ein Beispiel: Enzymdefekte bei Kleinkindern. Man kennt die Enzyme, man könnte sie ersetzen. Sie werden aber nicht hergestellt, das lohnt sich nicht. Das Kind einer Freundin ist gestorben, obwohl man genau weiß, welches Enzym ihm fehlt. Aber das wird nicht hergestellt, es sind zu wenige Kinder. Mittel gegen Demenz wären dagegen super für den Gewinn, das ist ein Riesenmarkt. Ihrer ethischen Verantwortung stellt sich die Industrie nicht genügend.
Sie sind Arzt, viele Spitzenmediziner arbeiten eng mit der Pharmaindustrie zusammen. 
So gut wie alle.
Was sagt das über Ihren Berufsstand aus? 
Ärzte sind Menschen und die meisten Menschen wollen mehr Geld verdienen, als sie verdienen. Aber Ärzte verdienen genug Geld. Ich finde es unangemessen, wenn meine Kollegen aus dem Porsche aussteigen und sich für die Demonstration für mehr Geld eine Weste anziehen mit der Aufschrift "Arzt in Not". Die Patienten wissen das, sie sehen ja, welches Auto ihr Arzt fährt und wie er wohnt.
Aber sie wissen nicht, für welche Pharmafirma ihr Arzt arbeitet. 
Das stimmt. Der Patient muss aber wissen, von welchem Hersteller ihr Arzt Geld bekommt. Und die Koryphäen, die auf der Payroll der Pharmaindustrie stehen, müssten das auch öffentlich machen.
Wie geht es nun mit dem Institut weiter? Sehen Sie einen potenziellen Nachfolger? 
Ja, einige. Ich nenne aber keine Namen, denn die werden´s dann nicht.
Meinen Sie, die haben nach dem Streit um Sie noch Lust auf den Job? 
Sie brauchen einen geschützten Raum, die politische Akzeptanz eines unbequemen Instituts.
Offenbar will die Regierung aber jemanden, der industriefreundlich ist. 
Ich bin auch industriefreundlich. Ich bin kein Feind der Pharmaindustrie. Wer soll denn die Medikamente herstellen? Aber wir brauchen eine Industrie, der wir vertrauen können, die uns nicht betrügt, die keine Studien unterschlägt, die keine Leute besticht. So wie die Pharmaindustrie derzeit arbeitet, kann es nicht weitergehen. Ein Pharmamanager sagte mir: Im Ansehen der Bevölkerung kommen wir direkt nach den Drogendealern. Das ist nicht schön für jemanden, der da arbeitet. Ich will die Leute in der Industrie unterstützen, die eine Änderung zum Besseren wollen. Das könnte doch ein hoch angesehener Wirtschaftszweig sein.
Was raten Sie Ihrem Nachfolger? 
Das Wesentliche ist Unabhängigkeit. Sobald man sich mit jemandem gemein macht und aufgrund dieses Einflusses die Empfehlungen verändert, ist das Institut am Ende.
Sehen Sie diese Gefahr nicht? 
Natürlich. Aber alle Mitarbeiter des Instituts werden die Unabhängigkeit auch ohne mich verteidigen.(Interview: Wolfgang Wagner, Jutta Maier, FR)
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